Der Fall galt lange als Cold Case: Anfang der 80er-Jahre gab es plötzlich kein Lebenszeichen mehr von “Baby Holly” und ihren Eltern. Nun haben Ermittler den Säugling von damals aufgespürt.

In den USA haben ganze Teams von Kriminalisten und DNA-Experten einen uralten mysteriösen Kriminalfall zum Teil gelöst: Ein Baby, das Anfang der 80er-Jahre verschwand, wurde jetzt gefunden. Die Kleine von damals ist jetzt Mutter und sogar Großmutter – und hatte bislang keine Ahnung, dass ihre Lebensgeschichte eng mit einem Kriminalfall verbunden ist, der Jahrzehnte als schier unlösbar galt. Ihre Eltern wurden ermordet, als sie noch ein Baby war. Sie wusste davon nichts.

An diesem Donnerstag gab das Büro des Generalstaatsanwalts in Texas Details aus diesem Cold Case bekannt, dessen Lösung teils noch immer im Dunklen liegt – und an dem Ermittler und Wissenschaftler aus mehreren US-Bundesstaaten arbeiten. “Baby Holly”, wie die Kleine genannt wurde, sei gefunden worden, so die texanische Behörde. Das Baby von damals sei inzwischen 42 Jahre alt. Medienberichten zufolge lebt sie in Oklahoma, hat fünf Kinder und mittlerweile sogar zwei Enkelkinder.

In der vergangenen Woche habe sie mit Mitgliedern ihrer leiblichen Familie via Online-Chat Kontakt aufgenommen und sogar ihre Großmutter auf diese Weise kennengelernt. Ein Familientreffen in der Realität soll mithilfe des “National Center for Missing and Exploited Children” in nicht allzu ferner Zukunft stattfinden, schreibt die “Daily Mail”.

Der Fall “Baby Holly” und ihrer Eltern wurde zum Cold Case

Mehr als 40 Jahre lebte die Familie von “Baby Holly” völlig im Unklaren darüber, was aus dem Säugling von damals geworden ist und ob Holly überhaupt noch lebte. Auch das Schicksal der Eltern lag lange völlig im Dunkeln.

“Baby Hollys” Eltern, so heißt es übereinstimmend in Medienberichten, seien 1980 auf der Suche nach Arbeit von Florida nach Texas gezogen. Kurze Zeit später habe das junge Paar nichts mehr von sich hören lassen. Mutter Tina Gale C. sei damals 17 Jahre alt gewesen, Vater Harold Dean C. 21 Jahre alt. Das Paar sei zum Zeitpunkt des mysteriösen Verschwindens frisch verheiratet gewesen.

Es war der Oktober 1980, als der Kontakt zu den Verwandten in Florida komplett abgebrochen sei, heißt es in den Rekonstruktionen des Falls. Die Familie von Tina und Harold habe sich große Sorgen gemacht. Dann habe – Ende 1980 oder Anfang 1981 – eine Frau die Familien in Florida kontaktiert. Sie soll gesagt haben, das junge Paar habe sich einer Sekte angeschlossen und wolle nichts mehr mit den eigenen Familien zu tun haben.

Doch stimmte das? Tinas und Harolds Familien ahnten nichts von dem Leichenfund in Texas zu jener Zeit. Zwei Tote wurden im Januar 1981 in einem Wald entdeckt. Mordopfer, so viel stand fest. Aber die Identität der beiden Toten konnte die Polizei über Jahre nicht klären. Niemand wusste, dass es Tina und Harold waren.

Vier Jahrzehnte blieb unklar, wer die zwei Leichen aus dem Wald waren. Das änderte sich erst im vergangenen Jahr, als die sterblichen Überreste mit Hilfe der Organisation “Identifinders International” und modernster DNA-Technik und genetischer Genealogie identifiziert wurden, mit der sich Verwandte durch DNA-Analysen aufspüren lassen: Es waren Harold und Tina. Aber als die Wissenschaftler und die Ermittler in die Akten von damals schauten, entdeckten sie: Das Paar hatte ja auch noch ein Baby. Was war also mit der Kleinen geschehen?

Es dauerte weitere Monate, bis das Rätsel gelöst war und der Säugling von damals ausfindig gemacht wurde. In diesem Jahr war es schließlich so weit: Die Ermittler spürten die Frau auf, die als “Baby Holly” über Jahrzehnte vermisst wurde und fanden heraus, dass sie lebt und es ihr gut geht.

Auf welche Weise genau die Mitarbeiter der Cold-Case-Unit in Texas die Frau fanden, deren Schicksal vier Jahrzehnte lang ungeklärt war, wurde bislang nicht preisgegeben. Manche Details wollten die Ermittler auch aus Rücksicht auf die involvierten Familien nicht nennen.

Unbekannte Frau gab “Baby Holly” einst in einer Kirche ab

In den Fall war Bewegung gekommen, nachdem die Leichen der Eltern von “Baby Holly” vor einigen Monaten identifiziert worden waren und auch die Familien aus Florida versucht hatten, mehr über den Mord an dem jungen Paar vor 40 Jahren herauszufinden.

“Baby Holly” wuchs den Ermittlern zufolge bei einer Pflegefamilie auf. Sie sei Anfang der 80er-Jahre von einer unbekannten Frau in einer Kirche in Arizona abgegeben worden und später dann in ihre Pflegefamilie gekommen. Die Frau, die das Baby bei der Kirche abgab, habe sich als Mitglied einer Sekte ausgegeben. Sie wurde als barfuß mit weißen Gewändern beschrieben.

Jetzt, wo das Rätsel um den Verbleib des Säuglings von damals gelöst ist, hoffen die Ermittler auch, in dem Mordfall um ihre Eltern weiterzukommen. Die Familie, bei der “Baby Holly” aufwuchs, werde nicht verdächtigt, etwas mit dem Verbrechen zu tun zu haben, teilten die Ermittler mit.