Trotz aller medizinischen Fortschritte ist Krebs in Deutschland die zweithäufigste Todesursache nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Obwohl inzwischen vielerlei Therapien gegen die Krebserkrankung zur Verfügung stehen, haben Patienten selbst nach einer scheinbar erfolgreichen Therapie oft mit Metastasen zu kämpfen, sekundären Tumoren, die aus dem ursprünglichen Krebs entstanden sind. Forscher haben nun eine Substanz entdeckt, die das Metastasenwachstum unterdrückt. Das Paradoxe: Der Botenstoff entstammt den eigentlichen Krebszellen!

Krebs durch Krebs heilen: Diese verrückt klingende Idee scheint ein Meilenstein im Kampf gegen die weiterhin tödliche Tumorerkrankung durch Metastasen. Forscher des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) haben jetzt im Fachmagazin Journal of Experimental Medicine eine Studie veröffentlicht, die die geradezu wundersamen Eigenschaften eines tumoreigenen Botenstoffes namens ANGPTL4 beschreibt.

Zu diesem Molekül lagen zuvor widersprüchliche Studien vor, die dem Stoff völlig entgegengesetzte Eigenschaften zuschrieben: Laut einigen Forschern fördert ANGPTL4 das Krebswachstum, andere meinten darin eine krebshemmende Wirkung zu erkennen. 23 Forscherinnen und Forscher um den Tumor-Spezialisten Hellmut Augustin haben nun herausgefunden, wie dieser Widerspruch aufzulösen ist.

Durch zahlreiche Untersuchungen an Tumorzellen in Menschen und Mäusen fanden sie heraus, dass beim Wachstum des Tumors mehr ANGPTL4 gebildet wird. Insofern stimmt die Beobachtung, dass diesem Stoff beim lokalen Wachstum von Krebs eine Schlüsselrolle zukommt. Frühere Studien hatten bereits ergeben, dass aus diesem Stoff zwei Spaltprodukte entstehen: cANGPTL4, das für die Bildung von Metastasen verantwortlich gemacht wird, und nANGPTL4, das Metastasen unterdrückt.

Patienten mit fortgeschrittenem schwarzem Hautkrebs weisen laut Hellmut Augustin „deutlich weniger nANGPTL4 im Serum auf als Patienten mit weniger Metastasen“. Eine höhere Konzentration von nANGPTL4 könne dazu beitragen,„ die bösartige Entwicklung der Metastasen zu verzögern“, vermutet der Krebsspezialist. Umfangreiche weitere Studien seien nötig, doch die Behandlung von Patienten mit nANGPTL4 sei auch für andere Tumorarten vielversprechend.