Die Werke der Fotografen Wladimir Worobjow und Wladimir Sokolajew wirken heute wie eine authentische Chronik dieser Zeit. Sie durften nicht in der offiziellen Presse veröffentlicht werden, da sie zu sehr mit dem üblichen Glanz der sowjetischen Propaganda kontrastierten. Im Alltag fotografierten sie Kundgebungen, politische Führer und Feiertagsdemonstrationen, doch gelegentlich richteten sie die Kamera auch auf die Realität.

1. „Singendes Huhn“, 1980er Jahre

Vögel wurden in sowjetischen Geschäften oft schlecht gerupft verkauft. Um den Kadaver in einen „geeigneten“ Zustand zu bringen, verbrannte man ihn auf einem Gasherd oder direkt im Hof ​​über einem Feuer, wodurch ein widerlicher Geruch die Luft erfüllte. Gleichzeitig ähnelte das Huhn selbst eher einem mageren Hoftier als einer Fleischquelle.

2. „Entbindungsklinik. Kefir nach der Geburt“, 1981

Eine Frau liegt auf einer Trage im Flur – die Stationen sind überfüllt. Als „therapeutische Diät“ nach der Geburt erhält sie ein Glas Kefir. Ein Symbol für kostenlose Medizin und deren wahre Qualität.

3. „Metallurgow-Kantine“, 1981

Romantisierte Erinnerungen an billige und sättigende sowjetische Kantinen werden durch die harte Wahrheit erschüttert: Schmutz, Armut und eine Atmosphäre des Verfalls. Im Westen wirkten kostenlose Kantinen für Obdachlose damals zivilisierter.

4. „Kiosk in der Metallurgow-Straße“, Anfang der 1980er Jahre

Kaputtes Straßenpflaster, ein abblätternder Stand, Essen, das den Kunden mit Mühe aus den Händen genommen wurde: Jemand schnappte sich zwei halbtote Gänse und Brot. Auch ein Blick auf die Kleidung und Schuhe der Menschen verrät viel.

5. „Weißstreichen der Decke im Klassenzimmer“, 1982

Sowjetische Schulkinder wurden oft zu billigen Arbeitskräften. Statt Unterricht wurden sie mit echten Reparaturarbeiten beschäftigt, die eigentlich von Spezialisten erledigt werden sollten.

6. „Frauen mit Belyashi und einem Ziegelkarren“, 1981

So sah „Gleichberechtigung nach sowjetischem Vorbild“ aus: Frauen zogen schwere Lasten und verrichteten körperlich anstrengende Arbeit. Auch ihr Essen, ein Symbol für die karge Ernährung der damaligen Zeit, ist im Bild zu sehen.

7. „Fahnenträger auf dem Eis“, 1981

Im Fernsehen wirkten Demonstrationen stets fröhlich und festlich. In Wirklichkeit waren unter den Teilnehmern viele zufällige Menschen und völlig Betrunkene.

8. „Warteschlange vor der Toilette“, 1981, Nowokusnezker Waisenhaus

Ein Kind wartet auf seinen Einsatz, ein anderes zieht sich um. Der ängstliche, vor Erwartung erstarrte Gesichtsausdruck des Jungen sagt viel aus.

9. „Kinderspiele“, Anfang der 1980er Jahre

Die sogenannten „Spiele“ bestanden aus Drill und Bewegungsvereinheitlichung. Individualität und Freude fehlten völlig.

10. „Verkauf von Lammknochen“, Nowokusnezk

Was als Lebensmittel ausgegeben wurde, waren manchmal nur abgenagte Knochen. Und das ist die Realität des „besten“ Lebensmittelsystems.

11. „Menschen mit Fleisch in der Enthusiastow-Straße“

Ein Paar hat ein Stück Fleisch erbeutet und trägt es als Trophäe nach Hause. Der Mann wirft dem Fotografen einen Seitenblick zu – was, wenn sie es ihm wegnehmen wollen?

12. „Zentralmarkt in der Kurako-Straße“, 1983

Eine Aufnahme, die keinen Kommentar bedarf: Grau, Armut und Hoffnungslosigkeit.

13. „Fahrgast mit Eiern in der Straßenbahn“

Ein älterer Mann hält ein ganzes Tablett mit Eiern in der Hand – angesichts der Knappheit ein großer Erfolg. Angesichts der fehlenden anderen Einkäufe ist er extra durch die halbe Stadt gefahren, um sie zu besorgen.

14. „Porträt beim Einkaufen“

Mutter und Sohn tragen seltene Produkte nach Hause: Eier, Milch, Brot und Konserven. Damals galt selbst ein so bescheidenes Set als Zeichen von Reichtum.

15. „Sowjetisches Eis“

Nach wochenlangem Verzehr von Kartoffeln, Haferbrei und Brot kam einem jedes Eis wie ein Feiertag vor.

16. „Blumenverkäufer“, 1980

Ein älterer Mann sitzt mit kleinen Blumensträußen auf einem Felsen. Offensichtlich verkauft er sie nicht, weil er ein gutes Leben hat, sondern weil er sie braucht.

17. „Warteschlange vor einem Verkäufer“, ein Foto aus denselben Jahren.

Derselbe sowjetische Straßenhandel mit minderwertigen Äpfeln oder Kartoffeln. Die Schlange hat sich bereits im Voraus gebildet und wartet auf den Verkäufer.

18. „Vortrag über die internationale Lage“, 1979

Ein Propagandist erzählt Bauern von den Intrigen des Kapitalismus. Die in Flicken gekleideten Menschen hören ihm zu, sitzen auf dem Boden und spülen ihre Suppe mit Brot hinunter.

19. „Agitationsbrigade“, 1980

Die Rede vor den Kollektivbauern sollte „Optimismus“ wecken, doch ihre Gesichter zeigten Müdigkeit und Gleichgültigkeit.

20. „Masleniza der Bergarbeiter“, 1984

Sowjetische Feiertage wurden als fröhlich und heiter dargestellt, doch in Wirklichkeit waren sie oft langweilige und formelle Zusammenkünfte mit Anwesenheitspflicht